Martin Oertel
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Ich bin gelernter Bergbauingenieur und arbeite heute als CRO (chief restructuring officer), d.h. ich helfe Unternehmen, denen es schlecht geht. Ich gehe für einige Zeit als externer Geschäftsführer in eine angeschlagene Firma und richte sie wieder auf.
Heute steuere ich die Produktion in Automotiv-Unternehmen. 80% der Arbeiterinnen und Arbeiter dort haben Migrationshintergrund. Ohne sie geht gar nichts. Mein beruflicher Erfolg fußt unter anderem darauf, dass ich in der Regel einen guten Zugang zu Migranten und Migrantinnen bekomme. Auch im Bergbau, tausend Meter unter Tage, war es selbstverständlich, dass ein bergbautypischer großer Zusammenhalt jenseits der verschiedenen Herkunftsländer da war.
Da ich bereits verkürzt arbeite, unterstütze ich „Welcome Jugendhilfe“ an ein bis zwei Tagen die Woche. Investitions- und Liquiditätsplanung, Abrechnungen und Controlling erledige ich in einem Viertel der Zeit, die die Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen benötigen würden.
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Bei gemeinsamen Unternehmungen habe auch ich Kontakt mit den UmAs. Ich erkundige mich nach ihrer Entwicklung und erlebe ihre Erfolge und Niederlagen mit. Ich tue mich schwer mit denjenigen UmAs, die sich nach anfänglich gelungenen Integrationsbemühungen „zurückentwickeln“: ihr Deutsch wird wieder schlechter und sie „hängen“ in ihren jeweiligen nationalen Gruppen ab.
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Meine größte Freude ist A., ein junger Mann aus der Elfenbeinküste. Er hat mich und meine Lebenspartnerin sozusagen adoptiert. Er kam 2017 als Minderjähriger nach Deutschland, lernte im Selbststudium und in der Berufsschule rasant schnell Deutsch und begann bei MAN eine Ausbildung als Zerspaner – ein sehr anspruchsvoller Beruf. „Welcome Jugendhilfe“ nahm A. in Corona-Zeiten für zwei Jahre ehrenamtlich auf, da er in seiner Unterkunft von einer Quarantäne in die andere rutschte und seine Ausbildung mehr als gefährdet war. Heute ist A. ausgelernt, arbeitet immer noch bei MAN und ist stolzer „Metaller“.